1. Juni 2014
Schon drei Sonntage hintereinander hören wir Ausschnitte aus der Abschiedrede von Jesus, wie der Evangelist Johannes sie zusammen-geschrieben hat. Jesus nimmt Abschied und macht ein Resümee seines Lebens, indem er sich direkt an Gott, seinen Vater wendet, indem er betet – nicht für „die“ Menschen, sondern für seine Freunde, für die, die an ihn glauben. Dieses Gebet hat eine unheimliche Tiefe.
Jesus sagt: „Die Stunde des Abschieds ist gekommen. Ich verlasse diese Welt und komme zu dir, Vater. Ich habe den Auftrag, den du mir gegeben hast, erfüllt. Ich habe gezeigt, wer du bist und wie groß du bist. Ich habe durch meine Liebe zu den Menschen deine Liebe zu ihnen sichtbar, erfahrbar gemacht. Was du, Vater, mir gesagt hast, habe ich ihnen weitergegeben. Ich habe ihnen klar gemacht wodurch ihr Leben echt, wahr, erfüllt, unzerstörbar, ewig wird: nämlich durch eine nie endende und immer mehr sich vertiefende Verbundenheit mit dir und mit mir.“
Das ist also das Geheimnis eines gelungenen, erfüllten Lebens nach dem wir uns alle sehnen: Eine tiefe Verbundenheit mit Jesus und mit Gott. Darauf kommt es an. Das ist das Alles-Entscheidende. Das ist die befreiende Botschaft Gottes an uns, die Jesus uns vermittelt. „Meine Freunde haben diese Botschaft verstanden“, sagt Jesus: „Sie glauben, dass ich von dir, Gott, gekommen bin, dass du mich zu ihnen geschickt hast.“ Und er fügt hinzu: Sie werden das der Welt zeigen und mich dadurch „verherrlichen.“
Das Wort „verherrlichen“ kommt in unserem heutigen Wortschatz selten vor, und deswegen verstehen wir vielleicht nicht direkt, was Jesus hier meint. Aber wir kennen den spontanen Ausdruck - z.B. wenn wir vor einer beeindruckenden Landschaft stehen oder eine ergreifende Erfahrung machen - „Ach, ist das herrlich!“: Es ist schön, es tut gut, es ist beglückend. In Jesus zeigt Gott seine ganze Liebe, Barmherzigkeit und Güte, aber auch seine Kraft und Stärke. Ist das nicht „herrlich“, wohltuend, aufbauend, schön, phantastisch, toll? … Wir verherrlichen ihn!
Jesus verlässt die Welt, aber seine Freunde sollen nicht das Gefühl haben, dass sie jetzt allein gelassen sind. Jesus will uns aufbauen, uns Mut machen. In einem sehr emotionalen Gebet, in dem er sein ganzes Herz hineinlegt, bittet er Gott, dass er seine Kraft, seinen Geist, weiter in uns wirken lässt, damit wir nicht verloren gehen, damit unsere Verbundenheit mit ihm nicht abreißt. Denn das ist das schlimmste, was uns passieren kann, denn dann ist unser Leben gescheitert, verliert es seinen Sinn.
Jesus hat diese Welt verlassen. Aber wir leben weiterhin in dieser Welt, in dieser Stadt, mit Nachbarschaften, Familien- und Freundeskreisen. Auch zwischen Menschen, die für Kirche und Glaube nichts übrig haben, daran sogar Anstoß nehmen. Und manchmal haben wir selbst das Gefühl, dass unser Glaubensleben verstaubt und schwach ist, ohne viel Bedeutung. Für uns betet Jesus!
Denn es steht viel auf dem Spiel: unser Leben selbst. Mit Gott ist unser Leben mehr Leben: es beglückt, vertieft, macht froh. Die Beziehung zu Gott und zu Jesus schenkt wahres Leben von bleibendem Wert – ewiges Leben. Er allein kann unseren Durst nach Leben stillen.
In der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte, die wir vorher gehört haben, erfahren wir, wie die kleine Jüngergemeinde sich im Saal in Jerusalem befindet, – vielleicht war es der Abendmahls-Saal: die Apostel, die Frauen, die zum Freundeskreis Jesu gehörten, seine Verwandten, die sich diesem angeschlossen hatten; und Maria selbst, seine Mutter.
Sie sind im Gebet mit Gott verbunden, sie sind zwar verunsichert, weil Jesus nicht mehr bei ihnen ist. Sie wird Gott aber am Pfingstfest mit seinem Geist, mit seiner Kraft erfüllen. Wie sie sind auch wir hier versammelt und beten, dass Gott auch uns mit seinem Geist erfüllt, damit unsere Verbundenheit mit ihm und mit Jesus aufrecht bleibt, damit unser Leben dauerhaft, ewig bleibt.